Dissertationsprojekt:
Lilia Gaivan M.A.
Das Künstlernetzwerk am Salzburger Hof um 1600 (AT)
Betreuer: Prof. Dr. Stephan Hoppe
Im Zuge der Netzwerkforschung als Teildisziplin der Geschichts- und Kunstwissenschaften hat auch die Architekturgeschichte die Vernetzung und Interaktion historischer Personen stärker in den Blick genommen. In diesem Rahmen konzentriert sich mein Promotionsvorhaben auf das Künstlernetzwerk in Salzburg zur Zeit des Fürsterzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau (reg. 1587–1611) und dessen Einfluss auf die lokale Architektur. Die Verbindungen von Künstlern, Auftraggebern und weiteren Akteuren werden wechselseitig als handlungsstrukturierender Rahmen und Abbild des Transfers von funktionalen Strukturen, Motiven und Stilelementen an den mitteleuropäischen Fürstenhöfen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges betrachtet.
In den 24 Jahren seiner Amtszeit gab der Fürsterzbischof dem mittelalterlich geprägten Salzburg sein heutiges frühbarockes Stadtbild. Hierfür beschäftigte er oberitalienische Wanderkünstler, die um 1600 zu den führenden Vertretern verschiedener Kunstgattungen zählten. Diese Künstlergemeinschaft bildete eine geschlossene soziale Gruppe mit engen privaten und beruflichen Beziehungen, die den Aufbau eines europaweiten Netzwerks ermöglichten. Der Fokus des Promotionsvorhabens liegt zum einen auf der Analyse der individuellen Formensprache dieser in Salzburg tätigen Künstler und Künstlergruppen mittels der Rekonstruktion ihres Gesamtwerks innerhalb Europas als Betrachtung auf der Makroebene. Zum anderen wird ihr Einfluss auf die Architektur in Salzburg um 1600 auf der Mikroebene untersucht. Dabei kommen neben dem klassischen kunsthistorischen Methodenkanon auch neue Herangehensweisen der Netzwerkanalyse und Digital Humanities zum Einsatz. Die gewonnenen Forschungsdaten werden in einer für diesen Zweck eingerichteten Wikibase erfasst. Die Open-Source-Softwareumgebung erlaubt den Zugriff auf zahlreiche Abruf- und Visualisierungsmöglichkeiten, was ein besseres Verständnis des umfangreichen und komplexen Künstlernetzwerks des Salzburger Hofs um 1600 ermöglicht.
Die detaillierte Untersuchung des erhaltenen Werkbestands liefert neue Erkenntnisse über den Transfer funktionaler Strukturen, Motive und Stilelemente der Architektur an der Wende vom 16. ins 17. Jahrhundert, in der Phase des Übergangs von Renaissance zu Barock im nordalpinen Raum. Diese Dissertation soll einen Beitrag leisten zur Diskussion um die mitteleuropäische Residenzarchitektur um 1600, in der Salzburg einen wichtigen, bisher nicht hinreichend gewürdigten Stellenwelt als Knotenpunkt innerhalb der mitteleuropäischen Kunstlandschaft innehatte.